Über den Lisengrat und durch die Flieswand nach Wildhaus
Als ich mit dem Auto ankomme liegt die Schwägalp und die Säntis-Westwand noch im Schatten. Mit der nächsten Fahrt geht es dann ganz bequem auf den Gipfel (2501.9 m ü. M.) der Sonne entgegen und nach einem Gipfel-Kaffee (Kaffee mit Gipfel) zu Fuss Richtung Lisengrat.
Schön sieht man die Gesteinsfaltungen im Gipfelbereich. Das Alpsteinmassiv ist, anders als die überwiegend aus Granit bestehenden Zentralalpen, ein Kalksteinmassiv und stellt damit eine Art westliche Fortsetzung der weiter östlich zwischen Deutschland und Österreich verlaufenden nördlichen Kalkalpen dar.
Der Blick Richtung Kurfirsten und Toggenburg ist immer wieder beeindruckend. Dort unten im Talboden hinter dem Waldstück liegt auch mein Tagesziel: Wildhaus. Im Bild das Dorf Unterwasser.
Kaum gestartet, kommt das erste «Hindernis»; der kurze Aufstieg zum “Chalbersäntis”. Dahinter von links nach rechts Nädligergrat, Moor, Jöchli und der Wildhauser Schafberg.
Aha, das sieht ja vielversprechend aus. Hier sieht man, was noch alles an ausgesetzten Stellen auf mich zukommt. Aber alles kein Problem – sieht von weitem schlimmer aus, als es ist.
Der Blick zurück zu den alten Säntis-Häusern. Ein Besuch dieses gemütlichen Teils des Säntis lohnt sich allemal. Der rechte Teil wurde vor kurzem vollständig neu aufgebaut. Dazu musste unter anderem ein Bagger hochgebracht werden. Da dieser zu schwer war für einen Hubschrauber, fuhr er halt «ganz einfach» selber hoch.
Dem Blick nach WSW: Im Vordergrund links die Zacken der Silberplatten und rechts der Grenzkopf. Im Mittelgrund der markante Stockberg.
Und jetzt herrscht bereits Gegenverkehr. Vermutlich haben diese Wanderer in der Rotsteinpasshütte übernachtet.
Bei den Sicherungen wurde zu Beginn des Lisengrates leicht übertrieben, wohl um dem Wanderer ein gutes Gefühl mit auf den Weg zu geben. Die ganze Route wurde vor einigen Jahren vollständig neu signalisiert und mit neuen Seilen gesichert. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit braucht es aber immer noch.
Atemberaubende Tiefblicke sind jederzeit garantiert; ebenso der Blick zurück auf den mit lauter Hightech verbauten Säntisgipfel. Die alten Säntishäuser sind heute ebenfalls über eine gedeckte Galerie erreichbar.
Doch für mich geht es weiter in stetigem Auf und Ab zum Ostgipfel des Lisengrats. Schon bald kommt der Doppelgipfel des Altmanns ins Blickfeld.
Hier wandert mein Blick nach Osten. Im Vordergrund rechts die Wagenlücke und darüber der Schäfler und die Ebenalp; weiter links die Altenalptürme.
Die furchterregenden Zacken der Silberplatten. Zum Fotografieren sollte man an einem sicheren Stand stehenbleiben, sonst könnte es das letzte Bild gewesen sein. Die meisten Bilder mache ich mit einem uralten 35 – 70 mm KB-Objektiv. Oft wechsle ich auch auf ein 28 mm Weitwinkel.
Nun kommt der Alpboden der Meglisalp ins Blickfeld. Darüber die Marwees und rechts der Hundstein.
Jetzt kommt der spektakuläre Teil des Lisengrats. Immer gut gesichert geht es der fast senkrechten Felswand entlang
… dann wieder hoch über steile, kaum sichtbare Steintreppen zum nächsten Gratabschnitt.
Oft nutzten die Erbauer geschickt die Struktur der Gesteinsschichten. So entstehen sehr eigenwillige Wegführungen. Ich bin früh unterwegs und bin deshalb fast immer alleine. Eine Schulklasse im Gegenverkehr wäre nicht sehr gemütlich.
Und manchmal wurde auch mit allerlei Hilfsmitteln tüchtig improvisiert.
Es ist Sommer hier oben und überall wachsen die schönsten Bergblumen zwischen den Felsen.
Jetzt kommt der Abstieg zum Rotsteinpass in Sicht. Dahinter die fast senkrechte Flieswand, welche hoch zum Altmann führt. Dort «darf» ich dann zum Altmannsattel hochkraxeln – wie der Weg aussieht und wo er durchführt, lässt sich bloss erahnen. Aber spannend scheint es auf jeden Fall zu werden.
Der Blick zurück: Im Hintergrund der Gipfelgrat der Hängete und davor die Wagenlücke mit dem Weg zum Säntis. Davor erkennt man die SAC Schutzhütte Wagenlücke.
Und immer wieder beeindruckende Tiefblicke, Hier hinunter zur Rossegg/Chärren. Ganz am oberen Bildrand die Meglisalp.
Und schon erreiche ich den «Verkehrsknotenpunkt» Rotsteinpass. Auch auf den Wegweisern sieht man, dass es im Alpsteingebiet haufenweise Gasthäuser und bewartete Hütten gibt. Verdursten muss hier wohl niemand.
Nach einer kurzen Rast zieht es mich weiter zur Flieswand Richtung Altmannsattel und Zwinglipass (Zwinglipasshütte; dort hat es auch eine Beiz).
Kurz nach dem Einstieg in die Flieswand noch ein letzter Blick zurück zum Lisengrat und zum Säntis. Unten rechts die Rotsteinpasshütte (feine Nussgipfel)
Dann geht es nur noch «obsi». Der Weg ist aus Distanz kaum sichtbar, aber sehr gut (rot/weiss) markiert.
Die kritischen Stellen sind mit Stahlseilen gesichert, so dass man immer genügend sicheren Halt findet. Wer immer wieder nach unten blicken möchte, sollte schwindelfrei sein.
Immer wieder finden Blumen einen Platz zwischen den Steinen und Felsen – für mich eine gute Gelegenheit, ein bisschen zu verschnaufen.
Da links geht’s hoch – und rechts steil runter.
Aber bald bin ich oben und schon kommen die ersten Wanderer im steilen Abstieg entgegen, vermutlich vom Fälensee, von der Chreialp oder vom Mutschensattel.
Ich bin froh, dass ich da hinauf steigen kann, der Abstieg ist wohl sehr mühsam und erfordert grosse Aufmerksamkeit.
Na also. Schon geschafft. Der Aufstieg durch die Flieswand dauerte nur 45 Minuten (210 Höhenmeter)
Nach einer kurzen Mittagsrast beginne ich den Abstieg Richtung Zwinglipass. Auch die Steinbock-Kolonie hält jetzt Siesta am Fusse des Altmanns und lässt sich durch niemanden stören. Zum Glück habe ich mein 100 – 300 mm Zoom mitgeschleppt, so dass ich die Viecher auch etwas grösser ins Bild setzen kann.
Dieser wunderschöne Steinbock wanderte immer ca. 10 Meter vor mir und kehrte mir immer sein Hinterteil zu. Einmal nur schaute er kurz zurück – wohl gestört durch das Klappern des Spiegels meiner Kamera.
Der Altmann sieht von jeder Seite völlig anders aus – hier von der Westseite …
… und hier die imposante Südwand.
Der Abstieg zur Zwinglipasshütte ist recht mühsam und erfordert Aufmerksamkeit, es geht über Karrenfelsen mit vielen Löchern und Rissen.
Doch bald ist auch das geschafft und die Hütte ist nicht mehr fern. Zeit für eine Einkehr. Im Hintergrund das Gipfelplateau des Gulmen.
Ich habe mich wohl verlaufen. Aus dem Nebel taucht plötzlich das Matterhorn auf. Matterhorn im Alpstein? Nein, es ist der Girenspitz – dem Matterhorn ähnlich, nicht so mächtig und dominant aber schön.
Nochmals mehr von Süden aus gesehen. Der Klotz links davon das ist der Moor.
Die grosse Chreialp wird beschützt von der Westwand des Chreialpfirst, welcher sich bis zum Mutschensattel hinzieht – auch eine sehr beliebte Wanderroute zur Saxerlücke und (zum Beispiel) weiter zum Hohen Kasten oder zur Bollenwees.
Nach einem weiteren sehr steilen Abstieg erreiche ich (endlich) die Ebene der Alp Tesel. Der Weg geht nun flach über eine Alpstrasse Richtung Gamplüt/Wildhaus.
Der Blick zurück zu den Gebäuden der Alp Tesel. Im Waldstück links ist der Abstieg von der Chreialp sichtbar. Ein erstaunlich breiter Weg mit unzähligen Serpentinen wurde hier in die Wand gebaut, denn über diesen Weg wird das Vieh auf die Chreialp getrieben. Kaum zu glauben.
Nach einer weiteren Stunde erreiche ich endlich die Seilbahnstation Gamplüt. Ganz runter nach Wildhaus laufen mag ich nicht mehr, aber ich habe die Wahl zwischen Seilbahn oder Trottinet mieten. Ich entscheide mich für die Seilbahn – auf einem Trottinet kann man nicht sitzen und ich bin ziemlich müde. Von Wildhaus geht’s mit dem (letzten) Postauto auf die Schwägalp zu meinem Auto. Die ganze Wanderung dauert netto ca. 4.5 – 5 Stunden. Eine anspruchsvolle aber sehr interessante Wanderung mit einem langen Abstieg, welcher garantiert Muskelkater zur Folge hat. Ich benötigte mit allen zeitraubenden Fotostopps knapp 6 Stunden.
Ausnahmsweise habe ich diesmal an Stelle der kleinen Fuji X-100 die grosse Sony DSLR 850 mit vier Objektiven mitgeschleppt (inkl. Grauverlaufsfiltern). Ich habe es nicht bereut, wie die Steinbockbilder zeigen. Ich besitze einen zweiteiligen Fotorucksack, welcher im unteren Teil die gesamte Ausrüstung aufnimmt und im oberen Teil für Verpflegung, Jacke, Regenschutz und andere Wanderutensilien Platz bietet.