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Tag 2

Die Oase Bahariya (3. Oktober 2010)

Oase Bahariya

Pünktlich um 06:30 Uhr ist der Reisebus mit allem Gepäck beladen und die Fahrt Richtung der Oase Bahariya, ca. 380 km südwestlich von Kairo, kann beginnen. Doch zuerst geht es um die Überwindung des aufkommenden Morgenverkehrs des Molochs. Unglaublich. Das Ende der eigentlichen Stadt wird markiert durch den fruchtbaren Grüngürtel des Niltals zwischen Kairo und der Wüste – welcher allerdings immer kleiner und überbauter wird. Was dann folgt, ist für uns Europäer unvorstellbar: «The 6th of October City». Hier wird eine gigantische Millionenstadt aus dem Boden gestampft, welche allerdings vorwiegend aus noch meist halbfertigen und unbewohnten Bauleichen besteht und teilweise bereits wieder dem Verfall geweiht ist.

Viele Milliarden von Dollars wurden und werden hier verlocht, welche wohl besser in die übrige marode Infrastruktur der Grossstadt Kairo investiert würden. Das meiste Geld stammt – wen wundert’s – aus dem saudiarabischen Raum. Aber bald lassen wir diesen skurrilen Anblick hinter uns und fahren auf der gut ausgebauten und asphaltierten Strasse Richtung Bahariya. Die Gegend hier ist etwas vom langweiligsten, das ich je gesehen habe. Sand und Steine soweit das Auge reicht. Reger Verkehr auf der schnurgeraden Strasse, vor allem Lastwagen, welche mit deutlich übersetzter Geschwindigkeit über die Piste rasen. Es passiert nichts, Inschallah

Die Weisse Wüste 2010 - Tag 2
Die Weisse Wüste 2010 - Tag 2
Die Weisse Wüste 2010 - Tag 2
Die Weisse Wüste 2010 - Tag 2

Ankunft in Bahariya

Die Ankunft in Bahariya nach etwa fünf Stunden Pistenfahrt und einem Tee- und Pippi-Stopp ist allerdings eine herbe Enttäuschung. Wer sich unter dieser Oase eine Idylle mit Wasser, Kamelen, Palmen usw. vorgestellt hat trifft stattdessen auf Schmutz, Abfälle am Strassenrand, Armut, Lärm und Verkehr. Kein einladender Ort mit etwa 30’000 Einwohnern.
Zum Glück liegt die Farm unseres Chef-Beduinen ausserhalb des Ortes inmitten von Dattelpalmen-Plantagen. Wir werden herzlich empfangen und geniessen ein ausgezeichnetes Mittagessen sowie eine kleine Führung durch die Farm mit vielen verschiedenen Tieren.

Allerdings wurden wir wegen eines kleinen Missverständnisses erst für morgen erwartet, so dass das Tagesprogramm tüchtig durcheinander gerät. Aber das Organisationstalent von Dionys und seinen Beduinen überwindet auch diese Schwierigkeiten gekonnt. Mit einer Verspätung von nur drei Stunden verlassen wir Bahariya mit drei geländegängigen, 30-jährigen Toyota Land Cruiser Richtung Wüste. Der Lastwagen mit der Küche wird uns am Abend folgen, denn zuerst müssen Lebensmittel für eine ganze Woche beschafft und organisiert werden.

Wegen des Missverständnisses werden wir unser erstes Camp erst bei Dunkelheit erreichen – der Küchenwagen wohl noch einige Stunden später. Mich beschleicht ein komisches Gefühl – völlig unbegründet, denn Dionys und seine Beduinen haben alles im Griff.

Die erste Nacht in der Wüste

Die Weisse Wüste 2010 - Tag 2

Nach dem Verlassen von Bahariya geht’s zuerst noch eine Weile auf der asphaltierten Strasse weiter. Doch dann abrupter Wechsel: Weg von der Strasse und off-road in die unwegsame Wüste. Zuerst muss Luft aus den Reifen abgelassen werden, damit wir besser durch den Sand kommen, dann fahren wir immer weiter weg von jeder Zivilisation. Unsere Fahrer finden den Weg mit traumwandlerischer Sicherheit, umrunden Felsformationen und gefährliche Dünen. Für mich ist es unvorstellbar, wie man hier die Orientierung behalten kann, zumal jetzt die Dämmerung und die Dunkelheit einsetzt.

Doch das scheint alles kein Problem zu sein und man merkt, dass Dionys diesen Teil der Sahara kennt wie kein Zweiter, ist er doch schon seit 26 Jahren regelmässig und mehrmals pro Jahr hier. Nach ca. 3 Stunden erreichen wir bei völliger Dunkelheit unseren ersten Rastplatz irgendwo zwischen den Dünen inmitten von schroffen Felsen.

Doch das hilft uns noch nicht wirklich weiter, denn das Küchenfahrzeug mit Gepäck, Wasser und Nahrungsmitteln ist ja noch ausstehend. Werden die uns überhaupt finden? Die einzige Absprache in Bahariya war: «Same place as usual». Kein Mobile-Empfang, kein Satellitentelefon, nichts. Nach zwei Stunden endlich ein Licht am Horizont und eine weitere Stunde später sind wir komplett.

Schnell wird das Camp aufgebaut, Tisch aufgestellt und Tee zubereitet. Es wird richtig gemütlich. Nur das Nachtessen fehlt, denn alle sind mittlerweile hungrig. Eine Fertigsuppe mit Brot wäre zu dieser Zeit wohl das Naheliegenste. Aber weit gefehlt: Ahmed, unser Koch bereitet mit frischem Gemüse eine wunderbare Suppe, gewürzt mit Zimt und Zitrone zu. Anschliessend Maccaroni mit einer ausgezeichneten Sauce, alles frisch zubereitet.

Dann ist es Zeit (mittlerweile fast Mitternacht), in die Schlafsäcke unter freiem Himmel zu kriechen, denn Dionys hat die Tagwache auf 04:15 Uhr angesetzt, damit wir rechtzeitig an unserem ersten Fotoplatz sind.

Wahrlich ein fulminanter und gelungener Einstieg in mein erstes Wüstenabenteuer. Müde, aber zufrieden schlafe ich ein, nicht ohne den grenzenlosen Sternenhimmel und die Milchstrasse zu bewundern sowie die lautlose Stille zu geniessen.

Einzig der feine Sand, welcher mir ständig ins Gesicht weht, ist ein wenig gewöhnungsbedürftig.

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